Gelenke durchstrecken beim Krafttraining – Sinnvoll oder riskant?

Ob man die Gelenke durchstrecken sollte beim Krafttraining ist ein häufig diskutiertes Thema in der Fitnesswelt. Während einige Trainer und Sportler darauf bestehen, die Bewegungen komplett auszuführen, warnen andere vor möglichen Verletzungen und langfristigen Gelenkschäden. Doch was stimmt wirklich? Ist es gefährlich, die Gelenke in der Endposition vollständig zu strecken, oder kann es sogar Vorteile haben? In diesem Artikel erfährst du, wann und warum das Durchstrecken der Gelenke sinnvoll oder problematisch sein kann und wie du es in dein Training optimal integrierst.

Was bedeutet „Gelenke durchstrecken“?

Das vollständige Durchstrecken eines Gelenks bedeutet, dass es seine maximale Bewegungsreichweite erreicht. Dies geschieht beispielsweise bei folgenden Übungen:

  • Beinstrecker-Maschine → Knie sind komplett gestreckt.
  • Bankdrücken → Ellenbogen sind in der oberen Position vollständig durchgestreckt.
  • Kniebeuge → Knie sind am Ende der Aufwärtsbewegung komplett gestreckt.
  • Kreuzheben → Hüfte und Knie sind in der Endposition vollständig gestreckt.

In diesen Positionen wirken Kräfte auf die Gelenke, Sehnen und Bänder. Je nach Übung und Belastung kann das entweder ungefährlich oder riskant sein.

Ist es wirklich schädlich?

Ob das Durchstrecken der Gelenke beim Krafttraining schädlich ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

Belastung und Gewicht
  • Bei hohen Gewichten ist das vollständige Durchstrecken problematisch, da die Gelenke einer hohen Kompressions- und Scherbelastung ausgesetzt sind.
  • Bei leichteren Gewichten oder Körpergewichtstraining ist das Risiko geringer, da die Gelenke nicht extrem belastet werden.
Geschwindigkeit der Bewegung
  • Explosive Bewegungen (z. B. Schwungübungen, Schnellkrafttraining) erhöhen das Verletzungsrisiko, weil die Gelenke abrupt belastet werden.
  • Langsame, kontrollierte Bewegungen sind weniger gefährlich, selbst wenn man in die Endstreckung geht.
Gelenkgesundheit und individuelle Anatomie
  • Wer bereits Vorschäden (z. B. Arthrose, Überdehnung der Bänder) hat, sollte auf das komplette Durchstrecken verzichten.
  • Manche Menschen haben hypermobile Gelenke, die über das normale Maß hinaus beweglich sind. Sie sollten besonders aufpassen, da sie anfälliger für Verletzungen sind.

Vorteile

In bestimmten Fällen kann eine vollständige Streckung der Gelenke sogar Vorteile bieten:

  • Bessere Gelenkstabilität und -gesundheit
    • Gelenke sind dafür gemacht, ihren vollen Bewegungsradius zu nutzen. Wenn sie immer leicht gebeugt bleiben, kann es langfristig zu Bewegungseinschränkungen kommen.
    • Ein vollständiges Durchstrecken kann dabei helfen, die umliegenden Muskeln, Sehnen und Bänder zu kräftigen.
  • Mehr Beweglichkeit und Funktionalität
    • Alltag und Sport erfordern oft eine volle Streckung der Gelenke (z. B. beim Sprinten oder Springen). Wenn man diese Bewegung im Training meidet, kann es zu einer eingeschränkten Funktionalität kommen.
  • Bessere Kraftentwicklung
    • Die vollständige Bewegungsausführung (Full Range of Motion, ROM) kann helfen, die Muskeln maximal zu aktivieren und Kraft im gesamten Bewegungsbereich aufzubauen.

Risiken

Trotz der potenziellen Vorteile gibt es auch einige Risiken, die man beachten sollte:

  • Überlastung der Gelenkstrukturen
    • Wenn das Gelenk vollständig gestreckt ist, lastet ein Großteil der Spannung auf den passiven Strukturen (Bänder, Sehnen, Gelenkkapseln) statt auf den Muskeln.
    • Besonders bei schweren Gewichten kann das langfristig zu Abnutzung und Schmerzen führen.
  • Hyperextension (Überstreckung)
    • Manche Menschen haben sehr bewegliche Gelenke und neigen dazu, sie zu überstrecken (z. B. „durchhängende“ Ellenbogen beim Bankdrücken oder Knie beim Stehen).
    • Dies kann zu Instabilität und erhöhter Verletzungsgefahr führen.
  • Geringere Muskelspannung in der Endposition
    • Wenn ein Gelenk komplett durchgestreckt ist, reduziert sich die Muskelspannung kurzzeitig.
    • Das kann dazu führen, dass der Muskel weniger intensiv trainiert wird.

Wann sollte man Gelenke nicht durchstrecken?

Es gibt einige Situationen, in denen es sinnvoll ist, die Gelenke nicht komplett durchzustrecken:

  • Bei sehr hohen Gewichten → Um die Gelenke zu schützen, sollte man eine leichte Beugung in Knie, Ellenbogen oder Handgelenken beibehalten.
  • Bei explosiven oder schnellen Bewegungen → Hier besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
  • Bei bestehender Gelenkproblematik → Wer Schmerzen oder Vorschäden hat, sollte vorsichtig sein.
  • Bei hypermobilen Gelenken → Eine Überstreckung kann das Verletzungsrisiko erhöhen.

Wann ist das Durchstrecken der Gelenke unproblematisch?

In manchen Fällen ist eine vollständige Streckung der Gelenke nicht nur sicher, sondern sogar sinnvoll:

  • Bei kontrollierten Bewegungen mit moderatem Gewicht
  • Bei funktionellen Übungen, die die volle ROM erfordern (z. B. Kniebeugen oder Kreuzheben)
  • Wenn man bewusst die Muskulatur in der Endposition aktiv hält
  • Wenn es keine Schmerzen oder Beschwerden verursacht

Fazit

Es gibt keine pauschale Antwort darauf, ob man Gelenke im Krafttraining durchstrecken sollte. Entscheidend sind die Belastung, die individuelle Anatomie und die Trainingskontrolle.

Empfehlungen für sicheres Training:

  • Arbeite mit einer kontrollierten Technik und meide ruckartige Bewegungen.
  • Vermeide das komplette Durchstrecken bei sehr hohen Gewichten oder instabilen Gelenken.
  • Achte darauf, die Muskulatur auch in der Endposition aktiv zu halten.
  • Wenn du dir unsicher bist, lasse dich von einem erfahrenen Trainer beraten.

Am Ende kommt es darauf an, was sich für dich gut anfühlt. Wenn du beim Durchstrecken Schmerzen hast oder Instabilität spürst, solltest du es vermeiden. Wenn du dich dabei stark und sicher fühlst, spricht nichts dagegen, die Gelenke in vollem Bewegungsumfang zu nutzen – solange du es kontrolliert machst.

Trainierst du aktuell mit hohen Gewichten oder möchtest gezielt an deiner Gelenkstabilität arbeiten? Lass es mich wissen, dann kann ich dir gezieltere Tipps geben!

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